
Die Zeller Weinhändlerhäuser
Zell am Main
Die Zeller Weinhändlerhäuser
(…) die Zeller Weinhändlerhäuser (…) prägen bis heute den Ortskern und sind aufgrund ihrer Qualität und des wirtschaftsgeschichtlichen Kontextes, in dem sie errichtet wurden, nicht nur für Franken von besonderer Bedeutung, denn die Zeller Händler gehörten zu den Hauptakteuren des Weinhandels im Reich. Sie finanzierten ihre Geschäftshäuser mit dem Geld, das sie in Würzburg, aber vor allem in Frankfurt durch ihre kartellartige Position im Weinhandel verdient hatten. Initialzündung war – wie bereits beschrieben – der Pfälzer Erbfolgekrieg. In keiner der anderen im Weinhandel bedeutenden Ortschaften auf fränkischem Gebiet – genannt seien Königheim, Marktheidenfeld, Gissigheim, Distelhausen, Gerlachsheim und Lengfurt – können für dieses Geschäftsmodell errichtete Handelshäuser derartig konzentriert und eine Zeitspanne von über 100 Jahren abdeckend noch heute betrachtet werden. Beginn und Ende des Erfolges der fränkischen Weinhändler lassen sich somit in beispielloser Weise an der zwischen 1692 und 1794 entstandenen architektonischen Hinterlassenschaft der Zeller Geschäftsleute verfolgen.
Dr. Christian Naser, Die Zeller Weinhändlerhäuser und Balthasar Neumanns vergessenes Schloss. Hrsg. Zeller Mitte -Freie Wähler e.V., Zell 2023, S. 17.
Balthasar Neumanns vergessenes Weinhändlerpalais
Das beeindruckendste Weinhändlerpalais wurde 1742 bis 1744 von Balthasar Neumann für Andreas Wiesen in der Hauptstraße 18 errichtet. Auf dem Katasterplan von 1832 ist eine freistehende Dreiflügelanlage am südlichen Ortsende von Zell zu erkennen. Während sich der kleine Hof zur Straße hin öffnet, wird der im Osten anschließende, auf zwei Etagen angelegte Garten im oberen Bereich von einer Brunnenanlage in Vierpassform dominiert. Den unteren Gartenteil schließt die Mauer der Anlegestelle am Main ab.
Bereits der Blick auf den Katasterplan zeigt, dass die Voraussetzungen für die Errichtung des Anwesens äußerst schwierig waren, da das Gelände nach Westen zum Zeller Bergplateau hin stark ansteigt und dadurch die Hauptstraße sich dementsprechend verengt und im Osten im Überschwemmungsgebiet des Mains liegt. Außerdem musste noch eine starke Quelle im Hausbereich gefasst werden, und es musste dafür gesorgt werden, dass die gerade genannte Hauptstraße als einzige Erschließungsmöglichkeit für den Ort während des Baus weiter benutzbar blieb.
Dr. Christian Naser, Die Zeller Weinhändlerhäuser und Balthasar Neumanns vergessenes Schloss. Hrsg. Zeller Mitte -Freie Wähler e.V., Zell 2023, S. 22f.
Ab 1741 entstanden die qualitätsvollsten Weinhandelshäuser in Zell. Höhepunkt dieser Entwicklung war die Errichtung der Zeller Schlossanlage im Jahre 1744 durch Balthasar Neumann für den Weinhändler Andreas Wiesen. Die dreiflügelige Anlage bildete ein seltenes Beispiel dafür, wie sich ein wohlhabender Geschäftsmann bürgerlicher Herkunft an der höfischen Garten- und Schlossgestaltung orientierte. Auf der Grundlage der nicht ausgeführten Pläne des Jagdschlosses Mädelhofen und unter Verwendung des bisher in Franken singulären Bautypus des Heilgersdorfer Schlosses schafft Balthasar Neumann ein architektonisches Novum, indem er die verschiedenen Funktionen eines Manufakturbetriebs, eines Geschäftshauses und eines Wohnhauses unter einem Dach vereint. So war die Weinmanufaktur in einem doppelgeschossigen Keller, der Geschäftsbereich mit Kontorräumen und repräsentativen Empfangsräumen im Erdgeschoss und die Wohn- und Lagerräume im ebenfalls zweigeschossigen Dachbereich untergebracht.
Der Wandel der letzten 250 Jahre findet seinen Niederschlag in der Geschichte des Zeller Weinhändlerschlosses. Dem grandiosen Beginn als von Balthasar Neumann erbautem Schloss folgen dramatische Veränderungen. Seine Metamorphosen beschreiben nicht nur das Schicksal eines Ortes, sondern machen auch die Entwicklung einer Ortschaft und einer ganzen Region greifbar. Repräsentatives schlossähnliches Weinhandelshaus, dann Gerberei, Lederwarenfabrik, Brauerei, Mälzerei, Lack- und Pianofabrik und schließlich auch noch Gastwirtschaft und Café: das sind die Stationen des Anwesens der Familie Wiesen. Zell spielte in der späten Barockzeit als Weinhändlerzentrum und während der beginnenden Industrialisierung durch die frühen Gründungen von „Bürgerbräu“ und „König und Bauer“ eine wichtige Rolle. Hauptplatz dieser Entwicklung war immer das von Neumann errichtete Weinhändlerschloss der Familie Wiesen.
Dr. Christian Naser, Die Zeller Weinhändlerhäuser und Balthasar Neumanns vergessenes Schloss. Hrsg. Zeller Mitte -Freie Wähler e.V., Zell 2023, S. 27f.
Links zu den Weinhändlerhäusern von Zell am Main
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Baudenkmäler_in_Zell_a._Main
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Fränkische_Weinhändler
https://www.frankentourismus.de/poi/zeller_weinhaendlerhaeuser_und-42979/
https://www.zell-main.de/de/freizeit/sehenswertes/weinhaendlerhaeuser